Mittwoch, 27. März 2024

daily jobwahnsinn

ich arbeite nun bereits einige wochen im unorganisiertesten unternehmen der welt. der alltag ist geprägt durch stundenlanges suchen wild in willkürlich bezeichneten ordnern auf unterschiedlichen servern abgelegter dokumente. hinzu kommen das fehlen jeglicher strategie, sinn- und endlose meetings sowie rohe chefgewalt bei beständig proklamierter gleichberechtigung. dabei soll man natürlich permanent freudig erregt springen und bei sämtlichen bis spätabends gehenden veranstaltungen und anderen dummschwätz-zusammenkünften gesicht zeigen (es ist immer freiwillig, daher sind es natürlich auch keine überstunden, aber WEHE du machst es nicht.)

kurzum, es ist ein alptraum. so verwirrt, alleingelassen und wütend habe ich mich selbst in meinem grauenvollen volontariat vor 16 jahren nur zeitweise gefühlt. 

mein alltag läuft in etwa so ab: ich bekomme eine aufgabe zugerufen und stelle erstmal fest, dass mir zugang/berechtigung/passwort fehlt. ich verbringe den halben tag damit, kollegen/der it hinterherzurennen, um an die nötigen daten zu kommen. dann mache ich mich an die aufgabe, die ich in der regel so noch nie gemacht habe. anleitungen gibt es in unserem unternehmen nicht. fragt man zwei leute, erhält man zwei verschiedene auskünfte. jeder macht seinen kram irgendwie, und irgendwie funktioniert es wohl auch, so für jeden allein. die häufigste antwort auf eine frage lautet: ja, da musst du mal schauen. sprich: viel spaß beim raten.

also mache ich meine aufgabe ebenfalls irgendwie und bitte jemanden, noch mal drüberzuschauen, bevor wir uns bspw. in den social media wegen meiner unkenntnis bis auf die knochen blamieren. in der regel kommt die rückmeldung erst dann, wenn es schon zu spät ist, oder sie bleibt ganz aus.

ich habe noch nie in meinem arbeitsleben so wenig gebacken bekommen. das macht mich vollkommen wuschig. auch wenn ich einen job kacke finde - ein bisschen ehrgeiz habe ich ja doch. ich muss nicht brillieren, aber blamieren will ich mich eben auch nicht unbedingt. es gibt auch zeiten, in denen ich einfach so dasitze und mich tatenlos langweile. zuständigkeiten gibt es nicht, einen teil meiner zeit verdödle ich sinnfrei, weil ich nicht überall proaktiv meine hilfe anbieten kann.

ich hatte schon viele arbeitgeber, bei denen der job die reinste qual war und tägliche selbstvergewaltigung erforderte. aber selbst in den miesesten agenturen hatte ich in der regel wenigstens noch ein angenehmes team, mit dem auch mal lachen konnte. hier arbeitet jeder verbissen, ohne leichtigkeit, ohne sich selbst oder den job mal aufs korn zu nehmen. das gros gehört zum typ übereifriger selbstverwirklicher, der sich pausenlos engagiert und bei jeder aufgabe "ich ich ich" ruft. grundsätzlich sind alle bis zum erbrechen pc, übermäßig höflich und furchtbar ernsthaft. jeder übt dabei durch seinen aktionismus subtilen druck auf den rest aus. komme ich überhaupt nicht mit klar. wenn meine kollegin montags reinspaziert und stolz verkündet: "ich bin heute open end da!" könnte ich sie steinigen für ihre dämliche wichtigtuerei.

von cheffe hört und sieht man oft tagelang nichts. manchmal kommt er in meetings hinzu und erteilt in seiner autistischen art und weise anweisungen, die selten ein grund zur freude sind. ich sitze in einem büro gegenüber von ihm, aber er hat es noch nicht geschafft, einen persönlichen satz an mich zu richten oder mich mal zu fragen, wie es mir als neuankömmling so ergeht. 

ich hatte mich eigentlich sehr auf den job gefreut, weil ich zum ersten mal in meinem leben einen super korrekten arbeitsvertrag habe, ein auf den ersten blick sehr anständiges gehalt und lauter extra-gedöns wie fahrkarte und altersvorsorge. das wirkte auf mich, als hätte ich endlich mal einen arbeitgeber erwischt, der zumindest grobe peilung von dem hat, was er tut und sich nicht permanent selbst geschäftsschädigt. aber irrtum. das war ein move vom regen in den gewitter-hagelsturm.

mittlerweile ist für mich klar, dass ich mich weiterbewerben werde. ein höflichkeitsjahr muss ich wohl für den lebenslauf abreißen, aber im herbst spätestens geht die jobsuche wieder los. hurrah, ich kotze.

Mittwoch, 13. März 2024

es graut so grau

nachts, wenn ich stundenlang wachliege, schwirrt mein kopf voller gedanken. keiner ist greifbar. alles wuselt wie ein termitenbau. absolutes grauen ist das mächtigste gefühl, das ich in diesem ekelhaft lebendigem berg ausmachen kann.

ein gegenstand des grauens ist der job. der neue job ist kacke, und ich hatte es nicht kommen sehen. weil im bewerbungsgespräch gefühlt eine vollkommen andere stelle verkauft wurde. endlose meetings, endlose abendveranstaltungen - von all dem war nie die rede. doch wie verlässt man einen job, den man gerade erst angefangen hat?

ein zweites thema ist mein vater. seit meinem letzten besuch ist mir bewusster denn je, wie sehr unsere tage gezählt sind. das evoziert eine schlicht nicht enden wollende sehnsucht nach zuhause, dass ich nicht ein noch aus weiß. aber mit dem neuen kackjob habe ich mich noch mehr an kackstadt gebunden. nicht mal ein urlaub ist drin bis zum herbst.

ich flüchte mich viel zum luxus-mann, wandere dort nachts in der wohnung herum, weil ich mich dann ein klitzeklein weniger gottverlassen fühle. aber es ist das klammern an eine illusion, dass das leben weniger schrecklich wird, wenn nur jemand neben dir atmet. jemand, der deinen kummer kleinredet und dir sagt: dann steigere dich halt nicht so rein.

ein drittes großes thema ist das derzeitige psychiatrische chaos. im sommer hatte ich endlich ein medikament gefunden, das mich beruhigt und meine stimmung einigermaßen stabil hält. da sich aber meine herzproblematik unerwartet verschärft hat, darf ich es nun nicht mehr nehmen. bis zum kardiologentermin in vier wochen laufe ich auf grundeis. ich schütte unmengen alkohol in das schwarze loch, was vermutlich weder dem herzen noch der psyche guttut. aber was bleibt? um mein herz mache ich mir interessanterweise am wenigsten sorgen. ich habe keine beschwerden - somit scheint die gefahr nicht real. einziges symptom wäre ein herzstillstand. und damit hätte ich es hinter mir. 

aber ich träume ja noch immer. davon, dass ich eines tages zu arbeiten aufhöre. dass ich mit tieren um mich herum lebe, an einem ort, an dem ich mich endlich geborgen fühle. und etwas in mir will dem noch immer eine chance geben. 

etwas in mir will mir noch immer eine chance geben. ohne auch nur ansatzweise zu wissen, wie.

Freitag, 8. März 2024

eine zugfahrt, die ist lustig

vergangene woche freitag gebe ich meine arbeitsmittel bei meinem exarbeitgeber im ruhrpott ab. am abend dann die rückfahrt mit der bahn nach hamburg. 

wir starten superpünktlich um 19.00 uhr. ich bin entzückt, da ich so gegen 22:30 uhr tatsächlich in hamburg sein könnte.

ich wähle ein einzelabteil. darin sitzt schon ein mann in meinem alter und tippt mit kopfhörern über den ohren in sein laptop. er blickt kurz auf und nickt flüchtig, als ich frage, ob der platz gegenüber noch frei sei. aha, ein workaholic, denke ich bei mir.

ich setze mich, döse ein bisschen und schrecke wieder auf, als eine zugbegleiterin die abteiltür aufreißt und nach getränkewünschen fragt. mein sitznachbar nimmt die kopfhörer von den ohren, lächelt ein überraschend gewinnendes lächeln und bestellt ein bier. ich wähle eine apfelschorle. 

die getränke kommen subito. der sitznachbar prostet mir mit seinem pils zu. dann nimmt er die kopfhörer, überlegt einen moment - und packt sie in seine tasche. "jetzt ist feierabend", sagt er zu mir. "diese buchhaltung kann einen echt auffressen!"

buchhaltung und workaholic passen für mich zunächst nicht zusammen, dann aber fällt der groschen: "biste selbstständig?" frage ich.
"ja", sagt der typ. er erzählt mir, dass er unternehmensschulungen für diverse softwares veranstaltet. ich höre interessiert zu, dann geben wir für einander ein paar anekdoten zu thema "als mein kunde mal nicht zahlen wollte" zu besten.

plötzlich gehen alle lichter aus und der zug macht eine vollbremsung. ich greife flugs nach dem bierglas meines abteilgenossen, das in meine richtung fliegt. dann kommen wir auf freier strecke zum stillstand.

"verdammt, das war ein kurzschluss", sagt mein begleiter. "das ist schlecht. jetzt können wir uns für die nacht hier einrichten."
"echt? meinst du?" frage ich entsetzt. 
"wenns die oberleitung war, auf jeden fall. aber auch sonst ist ein kurzschluss nicht besonders gut. wahrscheinlich müssen sie uns abschleppen und dann müssen wir den zug wechseln. ist ja noch eine ganze weile bis hamburg."
"ach du liebe zeit", sage ich.
"naja, könnte mir schlimmeres vorstellen", sagt er und blinzelt mir verschwörerisch zu. "jedenfalls hast du super reflexe." 

"hm", sage ich. mir gefällt die situation auf anhieb nicht ganz so gut, weil mir gleich so unangenehme dinge einfallen wie die elektrisch verriegelten türen, die elektrisch gesteuerte toilettenspülung und begrenzte mengen an nahrungsmitteln. "ich geh mal schnell noch auf toilette, bevor die schüssel voll ist", sage ich. mit der handytaschenlampe hangle ich mich den flur entlang.
 
als ich auf toilette sitze, gehen plötzlich die lichter wieder an. die crew hat das notstromaggregat aktiviert. ich kann problemlos spülen und hände waschen. 
 
dann endlich eine durchsage: es habe leider einen kurzschluss im triebwagen gegeben, nichts genaueres wisse man. es könne eine unbestimmte zeit dauern, bis es weitergehe.
 
ich eile zu meinem abteil zurück. dort ist mein mitreisender gerade dabei, seinen geldbeutel zu zücken.
"ich besorg uns mal noch mehr bier, bevor alles ausverkauft ist", sagt er. "trinkst du auch was mit?"
"oh, dankeschön", sage ich. "aber dann komm ich gleich mal mit und kaufe noch was zu essen."
 
die crew im speisewagen hat alle hände voll zu tun, denn wir sind nicht die einzigen mit der idee, uns ein paar kleine vorräte zu verschaffen. homo homini lupus est. mein begleiter ordert vier bier, ich kaufe zwei sandwiches und ein wenig schoki. andere speisen werden nicht mehr ausgegeben. aus gründen.
 
wir kehren in unser abteil zurück und unterhalten uns weiter. inzwischen sind 45 minuten vergangen. plötzlich ruckelt es. "oh, das war die bremse", sagt mein abteilgenosse. "das wäre ein gutes zeichen. vielleicht gehts doch gleich weiter." 
 
tatsächlich setzt sich der ice langsam in bewegung. eine weitere durchsage ertönt: dem lokführer sei es gelunden, das problem zu beheben. man sei nun guter hoffnung, es bis zum zielbahnhof zu schaffen. 

es dauert jedoch nur ungefähr 20 minuten, dann gibt es den nächsten kurzschluss. wieder stehen wir in finsterer nacht auf freier strecke. das zugpersonal meldet sich und berichtet, dass das problem leider erneut aufgetreten sei. man hoffe, den zug noch mal fit zu bekommen. danach wäre allerdings der nächste bahnhof der endbahnhof. von dort aus sollen wir in einen neuen zug umsteigen.
 
ich finde das ganze inzwischen fast amüsant und insgesamt recht spannend. das liegt nicht an der situation, sondern an meinem charmanten sitznachbarn sowie der großen menge bier, die inzwischen durch unsere blutbahnen schwappt.  
 
tatsächlich schafft es der lokführer, den ice ein zweites mal zum weiterfahren zu bringen. die crew prognostiziert derweil umsteige- und weiterfahrt-möglichkeiten am kommenden bahnhof, der gleichzeitig unsere verfrühte endstation werden soll. 
 
"mist, mein anschlusszug ist natürlich schon weg", sagt mein abteilgenosse, während er alternative verbindungen mit seinem handy recherchiert. "und sonst fährt da auch nichts mehr. so eine scheiße." 
"das ist aber jetzt keine verblümte bitte, dass ich dich mit zu mir nachhause nehmen soll", kichere ich.
"um gottes willen", sagt mein mitreisender. "ich würde mich niemals aufdrängen."
"was würde denn deine frau sagen?"
"die schläft schon. die beschwert sich aber garantiert morgen, wenn ich heute nicht mehr nachhause komme."
"nicht, weil du bei einer fremden frau schlafen würdest?"
"da sind wir eigentlich recht entspannt."
"soso. mein freund wäre da nicht so gechillt."
"jedenfalls hat er echt glück, mit einer frau wie dir."
"danke für die blumen."
 
als wir schon die lichter der herannahenden stadt unseres endbahnhofs sehen können, wird es zum dritten mal dunkel um uns. wir warten auf die nächste durchsage, die da lautet: leider sei es nun zum irreversiblen defekt gekommen. man habe zwei dieselloks angefordert, die unseren zugs in den nächsten bahnhof schleppen sollen. das würde allerdings nun wieder einige zeit dauern.
 
nach rund einer stunde beginnt sich unser defekter zug ruckelnd in bewegung zu setzen. kurz nach 1 uhr nachts kommen wir schließlich am vorläufigen zielbahnhof an.
"was machste denn nun", frage ich meinen mitfahrer.
"ich werd mir ein taxi nehmen. das müsste die bahn ja zahlen."
"gute idee."
"lieber würde ich mir ja ein hotelzimmer nehmen", grinst der abteilgenosse frech.
"aber?"
"ich will ja nichts herausfordern."
"nee, besser ist das", sage ich. "außerdem sieht das ganz so aus, als käme ich doch noch nachhause. da soll ja in 20 minuten ein neuer ice bereitgestellt werden."

der mitfahrer wartet mit mir, bis der versprochene frische und funktionsfähige zug einfährt. 
beim abschied fragt er nach meiner telefonnummer. 
"wir können doch mal in kontakt bleiben", sagt er verlegen. 
"ist ja kein verbrechen", sage ich geschmeichelt.
dann steige ich in den zug.
 
gegen 3 uhr nachts komme ich schließlich todmüde am hauptbahnhof an. ich nehme mir ein taxi - und krieche gegen halb vier zum luxus-mann in die federn. 

"was warn los?!" murmelt der im halbschlaf.
"kurzschluss im triebwagen", sage ich. "dreimal in folge, so wie ich dir geschrieben habe."
"und war da was mit dem typ?"
"nee, quatsch, der sitzt jetzt im taxi nachhause zu frau und kindern."
"das eine schließt das andere ja nicht aus, und bei dir weiß man nie."
 
ich stupse und kitzle den offenbar verstimmten luxus-mann ein wenig und spüre dann seine erektion.
"oh lala. ein bisschen fremdflirten scheint ja recht belebend zu wirken."
"gar nicht", beschwert sich der luxus-mann.
"anscheinend doch."
"egal, noch ein bisschen ficken?"
"wenn du mich dabei nicht dauernd fragst, ob ich an den typ denke."
 
und damit endete eine odyssee, die insgesamt gar nicht so schrecklich war, aber ein recht typisches licht auf die zustände der deutschen bahn wirft.

Mittwoch, 6. März 2024

first week in the new job

ich weiß ja noch nicht.

kollegen? nice, aber tendenziell überengagiert. der druck verteilt sich auf die schwächsten schultern.

viel chaos und zu viele meetings mit zu viel raum für dampfplauderer. nächste woche spreche ich das an. überheblich kann ich, und wer mich feuern will, soll das tun.

panikmache bei jedem projekt. kann ich null ernst nehmen. nur mein körper reagiert: nachtschlaf endet um 5 a.m.

zeit? rar. ich habe diese woche weder einkaufen noch putzen noch wäschewaschen können. phasenweise fehlte die zeit zum essen und zum trinken und um kacken zu gehen.

homeoffice? bis jetzt nicht.

anspruch? hoch. gefällt mir.

lernen? ja, immer, gefällt mir ebenfalls.

personalities? bieder. niemand, mit dem ich auch nur eine kleinigkeit gemein hätte. der chef gefällt mir am besten, der hat was.

ja. mal sehen, was kommt. 


Mittwoch, 14. Februar 2024

sex kurz vor der menopause

wahrscheinlich ist regelmäßiger sex nach acht jahren beziehung ein großer glücksfall. 

aber es ist nun mal immer derselbe sex. 

minus die leidenschaft, die uns die jahre gekostet hat. 
minus die tatsache, dass es der immerselbe, alternde körper ist.
minus die performance, die auf das immerselbe allernötigste zusammenschrumpft.
 
ich spüre, wie der mann angesichts meiner kritischen erwartungshaltung seine lust mühsam zusammensammelt. fast spöttisch beobachte ich, wie der schwanz verzweifelt blut richtung spitze pumpt. wir wollen doch nicht so sein wie paare irgendwann so sind: asexuelle vollspießer, bei denen sich nur dann noch appetit regt, wenn die frau das essen auf den tisch stellt.
 
aber mir reicht das so nicht. also quengle ich. schon während des fickens. "vergiss es, so komme ich nicht", sage ich maulig und nehme dem mann damit das allzu laue lüftchen aus den pompös geblähten segeln.

nicht, dass ich noch irgendwelche großen sexuellen ideen hätte. nicht in dieser beziehung. alles ist ausverkauft. limitiert bis zum gehtnichtmehr. letzte kümmerliche reste der lust, orgasmusfernes strohfeuer, höflich bemüht. wie es ist, ist es für den arsch, und damit meine ich nicht etwa analverkehr.

und fucking ja: dieser meine körper verfällt. sagt jedem potenziellen bespringer auf den ersten blick: fruchtbarkeit adieu, mein lieber, dein samen ist pure verschwendung in dieser austrocknenden grotte, in dieser schlaffen gebärmutter, die weder mutti ist noch wird. auch der luxus-körper sammelt immer mehr fett und graue haare, und der schwanz wird nicht mehr so steinhart wie früher.

das alles muss man theroetisch nicht sofort und absolut unattraktiv oder unerotisch finden. wir haben 2024, wir haben bodypositivity, die-40-sind-das-neue-30 und all die netten dummen lügen. 

doch wir sind pessimisten. wir sehen das, was uns fehlt, und zwar am anderen zuerst.

vielleicht fickt es uns jetzt, dass wir nie ineinander verliebt waren. nicht wie das objekt und ich, oder wie der luxus-mann und seine b. wir hatten nie den butterweichen blick, der uns einander schön erscheinen ließ. wir sehen einander ohne geschmeidigkeit, unter kühler led-beleuchtung, die hässlichkeiten dreitausendfach vergrößert. unser sex ist das überengagierte abarbeiten eines defizits, eines fehlens der person, der unsere leidenschaft eigentlich gilt.

ich verdamme diese ersatzhandlung nicht. wer sich nicht an haltlose illusionen klammern oder auf ewig verblödet hollywood-ideale proklamieren will, sollte irgendwann pragmatisch werden. aber die zeit nagt auch am frivolsten aller pragmatismen und macht ihn grau wie die schläfen eines mittfünfzigers.

nur im traum produziert mein kopf derzeit noch zustände der erregung, die meinen inzwischen ganz tief drin verborgenen, ureigensten wünschen rechnung tragen. dann flirte und knutsche ich hemmungslos mit anderen, oft viel jüngeren männern und frauen, und habe sex mit ihnen, allein, zu zweit oder zu mehreren. orgasmen im traum? oh ja, äußerst befriedigend und um längen besser als all das, was derzeit im wachzustand im angebot steht, sofern es denn steht.

liebe ist eine chemischer reaktor. eines tages brennt er aus, und sex mit ihm. was bleibt, ist ein schwarzes loch, das anregungszustände produziert, und dann.

und dann.

das war das wort zum valentinstags, to whom it may concern.