Montag, 6. März 2017

arbeit macht unfrei

"manchmal frag ich mich, was ich machen würde, hätte ich diesen job nicht", überlegt der luxus-mann am samstagabend, als wir auf der couch sitzen, whiskey pur trinken und die stunden bis zur partyzeit mit therapeutischen gesprächen, wie sie der luxus-mann nennt, totschlagen.
"weil du dich so dolle langweilst da?"
"ja, das ist reine lebenszeitverschwendung."

"was würdest du anders machen?"
"also erstmal würde ich ja die ganzen vertriebler rausschmeißen", sagt der luxus-mann.
"warum das denn?"
"weil das schleimige schmierlappen sind, die sich auch noch geil dabei fühlen, die leute zu bescheißen."
"ich glaub, dir fehlt eher so der sinn im ganzen, genau wie mir. oder was wirklich intellektuell anspruchsvolles. in einem umfeld, das nicht so von dämlichen anzugwichteln dominiert ist."

der luxus-mann starrt auf das übergroße schädel-poster an der wand gegenüber.
"weißte, was ich mir so beruflich vorstellen könnte?"
"was denn?"
"ich wär gern so jemand, der eine umweltschutzorganisation bewaffnet und die dann rumschickt. walfänger in japan abschlachten oder sowas. irgendwelche leute, die die umwelt zerstören oder tiere für kohle töten. oder auch menschenhändler zum beispiel. da würde ich leute als profikiller für ausbilden... und dafür würde ich auch gern die kohle organisieren."
"ich wollte mich ja mal als orang-utan-baby-betüddlerin auf borneo bewerben."
"und?"
"ich habe nicht biologie studiert, das ist voraussetzung."
"ich wäre jetzt auch nicht so der typ für ne fernbeziehung mit ner affen-mami."
"deswegen werde ich hierbleiben und die raf neu gründen."
"keine doofe idee."

der luxus-mann steht auf und schenkt whiskey nach, weil mein glas schon wieder leer ist.
"du hast echt ein alkoholproblem", sagt er mahnend dabei.
"jo", antworte ich. "aber ohne alk und ohne meine tabletten würde ich das alles gar nicht aushalten."
"das ist doch scheiße."
"du hast auch suchtprobleme."
"ich sag ja nicht, dass ich keine hab. aber traurig ist das schon. man muss sich den ganzen verstand ständig wegsaufen und wegdröhnen, damit man diese asoziale, beknackte scheißgesellschaft ertragen kann."
"mir macht das eigentlich nicht so viel aus. rente krieg ich ja keine, also muss ich eh vorher weg sein", sage ich.

"du musst vielleicht was ändern", grübelt der luxus-mann.
"mir fällt sonst aber auch nicht viel ein, was ich tun könnte. außer mich für den rest meines lebens einweisen lassen", sage ich. "ab und an träume ich davon, und dann wache ich immer ganz erleichtert auf, weil ich dann für einen kurzen moment denke: herrlich, nie wieder ins büro!"
der luxus-mann lacht.
"ich denk, psychiatrie war so die hölle für dich?"
"ist ähnlich wie knast."
"und arbeit ist auch knast", ergänzt der luxus-mann."also läufts aufs selbe hinaus."

"am schlimmsten ist es halt immer morgens, so im serotonin-low", sage ich. "das war auch immer so der zeitpunkt, an dem ich früher gern eine line gezogen hab. oder mich versucht hab, zum suizid zu überwinden."
"aber morgens hast du doch eine sehr wichtige aufgabe."
"welche denn?"
"na, blasen."
ich muss lachen.
"kannst mich ja anstellen, als deine personal penis assistant."
"nee, dann heirate ich dich lieber, das kommt mich billiger."

der luxus-mann schaut auf die uhr.
"können wir jetzt los? ich will mich gleich richtig abschießen."
"aber du hast doch morgen deine tochter."
"dann schieß ich mich halt so zu 90 prozent ab."
"siehste, dir ist saufen sogar wichtiger als family! erzähl du mir noch mal, dass ich ein alkoholproblem habe!"
"du hast dafür ein alkohol- UND tablettenproblem. und ein kiff-problem."
"von mir aus."

ich erhebe mich.
"los, komm, alter mann."
"ziehst du gleich deine doc martens an?"
"wenn du drauf bestehst."
"damit mag ich dich noch ein bisschen mehr."
"ist das jetzt ein verstecktes kompliment oder eine beleidigung?"
der luxus-mann grinst schüchtern und beißt mich sanft ins schlüsselbein.

kurz darauf stehen wir für drei stationen in der bahn, springerbestiefelt und lederbejackt, der luxus-mann im exploited-pulli, die kapuze tief ins gesicht gezogen. der ehrenwerte teil der bahn-mitinsassen starrt uns an wie immer.
und wir grinsen.
trotz arbeit sind wir freier als alle anderen. oder fühlen uns zumindest so.



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